Aus den Aufzeichnungen eines unbekannten Rarius aus Turmus
Es wurde Zeit den Plan umzusetzen, den wir nach unserer ersten Patrouillenfahrt ausgearbeitet hatten. Einen der unseren sollte das Los treffen, sich bei den Piraten einzuschleichen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Einige hatten sich freiwillig gemeldet, doch der Admiral und der Administrator von Turmus trafen eine andere Entscheidung. Keiner der altgedienten Rarii sollte es sein, sondern ein Jungspund, der sich das Scharlachrot der Kaste noch nicht verdient hatte. Der Rekrut Auronius galt innerhalb der Festung als hoffnungsloser Fall, trotzdem mochten wir ihn alle – wenn auch nicht als ernstzunehmenden Kameraden, sondern vielmehr als Maskottchen der Hafenfestung. Sein Gladius war sein ganzer Stolz, ein Ungetüm von einem Schwert, geschmiedet für einen Mann doppelt so schwer und zehnmal so erfahren wie der junge Auronius. Wenn er es hoch über seinem Kopf schwang, befürchteten wir manchmal der Junge könnte sich selbst den Kopf abschlagen. Meistens blieb es bei einigen harmlosen Verletzungen. Trotz seiner beiden linken Hände schien Auronius gewillt zu sein, sich das Rot der Kaste zu verdienen und zu einem von uns zu werden. Er trainierte oft bis spät in die Nacht und ließ sich von keiner Niederlage einschüchtern.
Wir bedauerten den Entschluss des Administrators und des Admirals fast ein wenig. Auronius war zu jung und zu unerfahren für eine derartige Mission. Daran würde auch die Kajira nichts ändern, die Turin ihm zur Seite stellen wollte. Die Kleine war vor einiger Zeit mit einem Kapitän aus Port Kar nach Turmus gekommen. „Seuchenkajira“ nannte sie der Administrator, anscheinend wegen der Syphilis-Epidemie auf dem Schiff mit dem sie gekommen war. Turins Gefährtin, die Heilerin Nienna, hat die Kleine jedenfalls für wenige Münzen bekommen und keine Anzeichen der Krankheit festgestellt. Erzählt man sich jedenfalls am Hafen. Seitdem ich das mit der Seuche weiß, mache ich jedenfalls einen großen Bogen um die Kleine, egal was die Grünen behaupten. Turin war es auch der seiner Gefährtin die letzten Kandavorräte abschwatzte. Auronius sollte als Schmuggler durchgehen, ein wenig Schmuggelware konnte also nicht schaden. Der Administrator rückte einige beschlagnahmte Fässer schwarzgebrannten Paga heraus, dazu kamen noch einige geräucherte Boskschinken, ein Fass Salz, einige Medikamente und zu guter Letzt noch ein kleines Fässchen Ka La Na. Der Plan war eigentlich ganz einfach. Auronius sollte sich als Schmuggler aus Victoria ausgeben. Die Kajira und das wenige Schmuggelgut waren das einzige was ihm noch von seinem Vater geblieben war, der vor kurzem in Victoria hingerichtet worden war. Natürlich hatte die Geschichte auch die ein oder andere Lücke, aber wir waren uns sicher, dass keiner der Piraten es nachprüfen würde. Immerhin wurden in der Hauptstadt der Liga dauernd irgendwelche Leute wegen Piraterie oder Schmuggelei hingerichtet.
Wir verluden das Schmuggelgut auf ein kleines Beiboot, das wir bis zum Stützpunkt der Piraten in Schlepp nehmen würden. In letzter Ihn gab es noch eine Planänderung. Der Offizier, der die Mission eigentlich befehligen sollte, hatte sich offenbar den Magen mit einigen alten Vosk-Schnecken verdorben und saß auf dem Abtritt der Festung fest. An seiner statt bekamen wir einen schweigsamen, griesgrämigen Rudergänger. Er war keiner von uns, aber er kannte sich auf dem Fluss aus. Mir war gleich, wer am Ruder des Schiffes stand. Schließlich sollten wir Auronius nur dort abliefern und nicht das Piratenlager stürmen. Der Rarius Do Bar schloss sich unserer kleinen Truppe kurz vor dem Ablaufen an. Wir glauben, dass er der Gesandten aus Cos entfliehen wollte, die (so hört man jedenfalls in den Tavernen am Hafen) für mächtigen Aufruhr in der Stadt sorgt und für deren Schutz er verantwortlich war. Aus dem gleichen Grund – wenn auch unfreiwillig – waren einige der Arer an Bord kommandiert worden. Kein Wunder bedenkt man, dass der Heißsporn Claudius der Gesandten aus Cos sein Gladius an die Kehle gehalten hat und fast einen Krieg ausgelöst hätte. Ein paar Sklavinnen hatten wir auch dabei. Wer tagsüber kräftig rudert, sollte sich Nachts schliesslich erholen und kräftig
Ich dankte den Priesterkönigen im Stillen noch für ihre Rücksichtnahme. Es ist kein Vergnügen mit einem schlechtgelaunten Offizier, der zudem unter Verdauungsproblemen leidet, auf einem Schiff festzusitzen. Kaum hatte ich mein Stoßgebet beendet, hieß es auch schon „Ruder los“ und wir legten ab. Pasang um Pasang bewegten wir das Schiff mit gleichmäßigen Ruderbewegungen über den Vosk. Wir waren mittlerweile eine eingespielte Mannschaft und jeder kannte seinen Platz an Bord. Nach zwei Tagen erreichten wir die Insel und der Administrator ließ halt machen. In sicherer Entfernung legten wir am Flussufer an und lösten das Beiboot von unserem Tarnschiff. Auronius war sichtlich nervös, auch wenn er sich große Mühe gab sich nichts anmerken zu lassen. Unterwegs hatten wir ein paar alberne Wetten abgeschlossen. Darauf, ob Auronius in letzter Ihn weglaufen würde, oder ob er sich während der Verfolgungsjagd in die Tunika machen würde. Doch jetzt waren alle Albernheiten verflogen und der Anspannung vor der Jagd gewichen. Wir alle kannten und mochten den jungen Rekruten, wir trainierten mit ihm und jeder von uns hatte ihm schon den ein oder anderen blauen Fleck verpasst. Der Admiral hatte Auronius das Scharlachrot der Kaste versprochen, sollte er lebend von der Mission zurückkehren. Wir alle hatten das schon hinter uns, die Angst vor dem ersten Gefecht, die lähmende Furcht im Angesicht einer erdrückenden Übermacht. Auronius würde allein sein. Neben ihm stand kein Kamerad Schild an Schild, hinter ihm gab es keine weiteren Reihen von Kriegern. Kein Offizier war zur Stelle, um ihm zu sagen was er zu tun hatte. Auronius musste den Jungen in sich töten und zum Mann werden. Auronius kletterte in das kleine Boot und zog die Seuchensklavin an Bord. Noch einmal schärften wir ihm ein was er zu tun hatte, dann drückten wir ihm die beiden Riemen in die und versetzten der kleinen Nussschale einen kräftigen Stoß.
Schweigend sahen wir dem kleinen Boot nach wie es vom Ufer wegtrieb und von der Strömung des Vosks erfasst wurde. Anschließend bemannten wir das Tarnschiff und nahmen die Ruder auf. Auronius sollte die Insel passieren, wir dem vermeintlichen Schmuggler dicht auf den Fersen. Dabei würden wir ein Heidenspektakel veranstalten, Krach schlagen und das Schmugglerboot unter Beschuss nehmen. Das, so hofften unsere Strategen, würde die Piraten auf den Plan rufen und wir würden angesichts der überwältigenden Übermacht den Schwanz einkneifen und abdrehen. Der Rest lag bei Auronius. Wir pullten an den Riemen und folgten dem kleinen Beiboot in sicherem Abstand. Auf ein Zeichen des Rudergängers begann unser Ausguck zu plärren
„Schmuggler voooooorauuuuus“ und wir erhöhten die Schlagzahl.
Auronius passierte die Insel und nichts geschah. Das kleine Boot verschwand hinter einem aus dem seichten Wasser ragenden Felsen. Wir konnten nicht näher heranfahren, die Gefahr in Sichtweite der Insel auf Grund zu laufen war zu groß.
Wieder wurden laute Befehle gebrüllt und die ersten Pfeile zischten übers Wasser. Unsere besten Schützen standen am Rumpf und sie nahmen das kleine Boot unter Beschuss. Die Schützen gaben ihr Bestes und bald schon war der Rumpf des Bootes mit Pfeilen gespickt, doch Auronius blieb unverletzt wie geplant. Dann endlich eine Bewegung auf der Insel, aus einer kleinen verborgenen Bucht löste sich ein schneller Segler und hielt direkt auf uns zu. Pfeile zischten über unsere Köpfe und einige Männer sanken blutend auf die Planken nieder. Wir wurden von der Insel und dem Boot unter Beschuss genommen. Auronius hielt auf den Segler zu und wedelte mit den Armen. Wir hingegen suchten unser Heil in der vermeintlichen Flucht und setzten Kurs auf die Flussmitte. In gebührendem Abstand drehten wir bei und sandten mehrere Pfeilhagel auf die Insel.
Weitere Männer gingen zu Boden, aber wir waren uns sicher auch einige der dreckigen Piratenbastarde auf der Insel erwischt zu haben. Erst als alle Pfeile und Bolzen an Bord verschossen waren, bemannten wir die Ruder und legten erst mehrere Pasang später in einer Bucht am südlichen Ufer des Vosks an. Wir tarnten unser Schiff mit Schilf, Zweigen und alles was uns brauchbar erschien und versorgten die Verwundeten. Eine Hand voll Rarii würde hier bleiben und das Lager der Piraten im Auge behalten. Auf den Rest von uns wartete im Hinterland die Tarnstaffel aus Turmus, um uns nach Hause zu bringen. Bald schon würden wir wissen mit wem wir es zu tun hatten und was die Bastarde planten.