Hier noch eine schöne Geschichte die ich heute per Mail erhalten habe. Wenn jemand den Namen des Autors/Quellenangabe ergänzen könnte wäre ich sehr dankbar.
Die Fee der Einsamkeit und die sieben Perlen
Es ist Herbst geworden....
Die Blätter hängen lose an den Zweigen, wie bunte, zum Abflug bereite Vögel. „Lösen, loslösen", bläst der Wind und lässt sie auf die Erde trudeln. Im letzten Tanz leuchten sie noch einmal auf, erinnern an sonnige Tage. Was jetzt noch festhält, reißt der Sturm von den Zweigen, ergreift der Frost. Dann wird es still in der Natur, Stille zieht aber auch in manches Haus...
In dieser Zeit schleicht sie wieder durch den Nebel, dringt in die Wohnungen der Menschen und verteilt ihre grauen Schleier, die Fee der Einsamkeit. Wehe, wer jetzt keine Hand hat, die er halten kann. Er ist ihr ausgeliefert, der dunklen Fee der Einsamkeit...
Eine alte Frau saß am Fenster und starrte auf die kahlen Äste eines Baumes. Düster war es draußen, kalt und neblig trüb. Und düster war es auch in ihrem Herzen. ,,Wer im Herbst allein ist, der ist mehr als allein", dachte sie und schloss die Augen. Plötzlich spürte sie eine Hand auf der ihren. Als sie aufblickte, erkannte sie die dunkle Fee der Einsamkeit. Ihre grauen Schleier schwebten durch den Raum und legten sich wie Staub auf die Möbel.
,,Da bist du wieder, Einsamkeit", seufzte die Frau, „da bist du wieder mit deinen grauen Schleiern, die alles so düster und trostlos machen. Warum musst du immer diese grauen Schleier verteilen? Hast du nichts anderes zu verschenken?" „Doch", sagte die Fee „ich habe auch anderes". „Und warum verschenkst du dann immer nur diese trüben, grauen Schleier?"
Da lächelte die Fee der Einsamkeit: "Du hast mich nie nach anderem gefragt." „Sollte ich?" „Ja", nickte die Fee, „mich muss man befragen. Nur dann kann ich mehr geben als graue Schleier. Endlich hast du gefragt und ein wenig losgelassen". „Was habe ich losgelassen?" wollte die Frau wissen. Da deutete die Fee auf den Baum vor dem Fenster. „Schau ihn an. Kahl sieht er aus. Seine Blätter, die ihn einen Frühling und einen Sommer lang erfreuten, ließ er wie bunte Träume mit dem Wind davon tanzen. Warum wohl? Damit im Winter Neues reifen kann", antwortete die Frau. „Gut... ich glaube, du hast es erfasst".
Die Frau zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht recht, was hat der Baum mit mir zu tun?" „Sehr viel hat er mit dir zu tun", sagte die Fee. „Du wolltest die Zeit zurückdrehen zum Frühling und Sommer, konntest den Herbst nicht bejahen. Du hast deine bunten Blätter der Erinnerung sehr lange festgehalten, hast sie nicht tanzen lassen mit dem Wind, wie die Träume. die verwehen."
Diese Gedankengänge widerstrebten der Frau. In ihr begehrte etwas auf. Sie dachte lange nach. dann unsicher geworden, fragte sie: "Darf ich mich denn nicht an meinen Erinnerungen freuen?" „Doch", antwortete die Fee, „aber du sollst ihnen nicht nachtrauern. Lass sie spielend tanzen mit dem Wind der Vergänglichkeit, wie der Baum seine Blätter tanzen lässt. Es ist nicht gut zu warten, bis Frost und Sturm dem Spiel der Gedanken ein Ende machen."
„Habe ich zu lange gewartet?"
Nun lächelte die Fee: "Nein, heute hast du losgelassen, hast gefragt, ob die Einsamkeit auch andere Gaben hat als graue Schleier. Das war eine wichtige Frage." Mit einer leichten Bewegung sammelte sie die grauen Schleier der Einsamkeit wieder ein. Und während sie aus ihrem weiten Schleiermantel ein goldenes Kästchen holte, füllte sich der Raum mit einer wunderbaren Musik.
In sich gekehrt und doch neugierig, saß die alte Frau in ihrem Sessel. Da schob die Fee ihr das goldene Kästchen zu. „Hier, öffne es!" Vorsichtig mit zitternden Fingern zog die Frau an dem kunstvollen Verschluss. Der Deckel sprang auf. In dem Kästchen, auf schimmernden Samt gebettet, lagen sieben leuchtende Perlen, eine schöner als die andere. „Sind die für mich?" fragte die Frau überrascht. „Noch liegen sie in meinem Kästchen", sagte die Fee, „aber sie werden einmal in dir leuchten, zuerst ganz schwach, dann immer strahlender. Sie warten darauf, wie die Keime der Blätter im Baum".
„Was sind das für Perlen", wollte die Frau wissen und ihre trüben und grauen Gedanken waren vergessen. Die Fee nahm eine Perle und erklärte:
das ist die Perle der Geduld,
das ist die Perle der Dankbarkeit;
das ist die Perle des Verstehens und Verzeihens;
dies ist die Perle der geheimen Ahnung;
und da siehst du die Perle des Erkennens, des Begreifens.
Vielleicht wird in dir einmal die Perle der Weisheit leuchten, bis dich schließlich die letzte Perle, die Perle der allumfassenden Liebe, glücklich machen wird.
Gebannt schaute die Frau auf die leuchtenden Perlen. Schön waren sie, sie strahlten Trost und Hoffnung aus. Eine Ahnung von wunderbaren Gedanken hüllte die Frau ein und ließ sie Fröhlichkeit im Herzen erahnen. So saß sie eine geraume Zeit. Dabei spürte sie, dass etwas in ihr wachsen wollte; dort wo zuvor noch ein hartes, verbittertes Herz pochte.
Es war schon dunkel, als die Fee der Einsamkeit fast unmerklich und still geworden, sich entfernte. Auch das Kästchen mit den sieben Perlen war nur noch wie ein Traum verblassend im Raum. Die Frau war nicht mehr betrübt. Sie stand auf, öffnete das Fenster, spürte die Luft, atmete sie tief ein und winkte dem kahlen Baum zu: „Ich grüße dich, Freund, „ sagte sie leise, „lassen wir es in uns wachsen. Du, in dir die jungen Blätter des nächsten Frühlings, des neuen Sommers, und ich in mir die Kraft und das Leuchten der sieben Perlen."