Ach wisst Ihr, Yistin, Septembre,
ich hab Platon oder Aristoteles niemals komplett gelesen, geschweige denn irgendwie reflektiert. Wenn ich unser modernes Wiki bemühe und zum Beispiel nach "Demokratie" frage, bekomme ich freundlicherweise sehr ausführliche Antworten. Es scheint auch, dass jener Wissenspeicher noch ziemlich autark und neutral auftrumpft. Gut zu wissen - auf der einen Seite.
Auf der anderen Seite kann ich nicht begreifen, wieso sogenannte Demokratien ihr Selbstverständnis und ihre Legitimation aus einem aus meiner Sicht völlig untauglichen "Mehrheitssystem" ziehen (so z.B. auch die deutsche). Wenn doch quasi jedes Schulkind - kurz nach dem Hunderterquadrat - schon ausrechnen kann, dass eben eine Minderheit über eine Mehrheit herrscht. Ich kapier einfach nicht, was daran so obergenial sein soll, dass es überall als unantastbarer und heiliger Grahl durchgeht... möglicherweise bin ich mir selbst im Weg, negativ prädestiniert oder sonstwie unfähig, die Genialität an dieser Gesellschaftsform nachzuvollziehen.
Jedenfalls scheinen sich alle zumindest darüber einig zu sein, dass es irgendein System braucht. Einen Garant für das Einhalten von Versprechen, von Vorhersagen und von Regeln im weitesten Sinne. Ein Regularium also, ohne das jene chaotische Unberechenbarkeit droht, vor der vor allem immer diejenigen Angst haben, die grad das Sagen haben, die besonders viel zu verlieren zu haben.
So naja und salopp könnten die dann sagen: "Freie Selbstbestimmung" <- das waren die Worte des Kanzlers in der Neujahrsansprache im jahr der deutschen Wiedervereinigung. Also sie könnten sagen: unser System garantiert freie Selbstbestimmung, ein Jeder hat das Recht, sich einzubringen. Tut er das nicht, dann ist das sein Problem und er braucht sich dann nicht beschweren, dass man nicht in seinem Sinne handelt ....etc. bla
Sorry, aber für mich ist das nix als eine Ausrede, die auf dem Fundament namens "irgendein System muss nunmal her" (siehe oben), ganz wunderbar gedeit.
Denn dies ändert ja immernoch nix an der simplen Mathematik des Schulkindes: die Mehrheit wird von der Minderheit regiert!
Das dies nicht besonders gerecht ist, streiten ja nicht mal die heftigsten Fürsprecher des Systems ab. Solange der Mob still hält, ruhen sie sich eben auf dem Polster der Alternativlosigkeit aus. So nach dem Motto: schadet ja nicht.
Im Kern aber, bestätigens sie damit doch eines: Demokratie haut einfach nicht hin! Das ist ganz ähnlich wie die (aktuell besonders verpöhnte) Marxsche Theorie vom guten Willen und so. (Ich meide mit Absicht mal ein paar Reizworte). Sie bestätigen, dadurch dass sie ihre Minderheitsregierung für legitim halten, ihre wahre Überzeugung. Nämlich, dass es offenbar äusserst destruktiv ist, echte Demokratie zu leben und ergo eben konstruktiv, wenn ein gerüttelt Maß Diktatur dabei ist.
Jau, das ist zwar alles irgendwie Scheiße, aber ich weiß es auch nicht besser. Ich versuche nur möglichst lange zu denen zu gehören, die nicht allzuviel zu verlieren haben. Den plötzlichen und unerwarteten, nicht vorhersehbaren und auch nicht vorhergesagten, blitzschnellen Umsturz eines als stabil geltenden Systems habe ich bereits erleben dürfen. Es gibt Leute die sagen, dass die Frequenz mit der sich so etwas wiederholt, ansteigt
Gruß Sepp