Es stimmt, daß in unserer Gesellschaft, wie in den meisten Gesellschaften, ein besonderer Konsens darüber besteht, daß eine Straftat gegen ein Kind besonders verwerflich ist und daher auch besonders zu bestrafen. Selbst im Gefängnis wird es ein Kinderschänder schwerer haben als ein anderer Gewaltverbrecher. Und das ist auch gut so, denn Kinder sind das wertvollste, was wir haben und sie sind wehrlos und daher besonders schutzbedürftig.
Aber was ist hier in der Gesetzgebung passiert? Normalerweise werden Täter bestraft. Offenbar ist aber die Politik und Strafverfolgung -weltweit- nicht in der Lage, die Täter, sprich die Macher und Vertreiber von Kinderpornografie zu fassen. Also wurde der Tatbestand auf den Konsumenten erweitert. Wenn die Nachfrage wegfällt, wird auch das Delikt wegfallen, so der Gedanke. Ein Gedanke, den ich erstmal gut finde, denn er hilft gegen Kinderpornografie - und ein Konsument, der gezielt diese Pornos sucht, sich anschaut oder gar sammelt ist auch ein Täter.
Allerdings ist die Gesetzgebung hier über das Ziel hinausgeschossen. Die Probleme bei "Beweisfotos" wurden bereits angesprochen. Aber besonders deutlich wird es, wenn man sich überlegt, das auch derjenige zum Täter wird, der nur zufällig in Besitz von Kinderpornografie gelangt, was nicht so schwer ist, wie es hier einige darstellen. Ich kann hier nicht dazu aufrufen, bspw. mal die commons.wikimedia.org zu durchsuchen, denn ich würde mich vielleicht strafbar machen. Und was wäre, wenn ich eine Tasche auf der Strasse fände, die neben Geld ein paar solcher Fotos enthält? Dann bin ich in der Zwickmühle, gebe ich die Tasche ab, mache ich mich strafbar, gebe ich sie nicht ab auch. Wenn das BKA vor der Anzeige einer Seite mit Kinderpornografie dazu rät, erstmal den Cache auf dem eigenen PC zu löschen, da man sich selber bereits strafbargemacht hat, sprich wenn eine staatliche Stelle zur Strafvereitelung und Vernichtung von Beweisen aufruft, sollte jeder sehen, daß hier etwas schiefgelaufen ist.
Was das Strafmass angeht: Ich denke hier wird ein grundlegendes Problem unserer Gesellschaft deutlich. Wenn wirtschaftliche Interessen betroffen sind, so z,B, bei Raubkopien, ist es möglich, auch Macher und Vertreiber zu finden und zu verurteilen, ganz einfach weil die Wirtschaft darauf drängt, die nötigen finanziellen Mittel dafür hat und global zusammenarbeitet. Auf der anderen Seite interessieren unsere politische und wirtschaftliche Führung Menschenrechtsverletzungen in China nur oberflächlich und heuchlerisch, weil wir auch weiterhin Geschäfte mit China machen wollen. Der Wähler kann nur einmal alle vier Jahre wählen gehen. Die Wirtschaft nimmt dagegen täglich ihre Interessen war und übt täglich Einfluß auf die Gesetzgebung aus. Gemeinnützige Organisationen die dagegen stehen, gibt es zu wenig. Ich denke, das ist auch mit ein Grund dafür, daß sich eine Gesetzgebung durchgesetzt hat, die Angriffe auf einen Menschen gefühlsmäßig oft geringer bestraft, als Angriffe auf das Eigentum. Vielleicht ist es natürlich auch so, daß die Wurzeln unseres Strafrechts noch aus einer Zeit stammen, als der Mensch für die Politik tatsächlich weniger Wert war als das Eigentum und sich kein Politiker an eine wirkliche Reform traut.
Die Gesetzgebung in Falle der Kinderpornografie zeigt mir zwei Dinge: Jemand hat hier von "freiheitlicher demokratischer Grundordnung" gesprochen. Wenn jemand rein zufällig Täter werden kann, ist genau diese verletzt. Und wenn wir nicht in der Lage sind, die Macher und Vertreiber zu finden, zeigt das die Hilflosigkeit der Politik und Strafverfolgung, die offenbar ausserstande sind global zusammenzuarbeiten, auch wenn ich die Ausweitung der Strafbarkeit auf den Konsumenten nicht grundsätzlich falsch finde. Was ich noch gar nicht angesprochen habe ist, dass jetzt eine Nachfrage nach Methoden der Zensur geschaffen wurde, die auch andere Bereiche betreffen kann...