Es war schon ein paar Tage her, dass ein Mann der Nachtwache in der Taverne aufgetaucht war. Während die einen ihn verächtlich und voller Misstrauen beäugten, störten sich andere nur wenig an ihm. So wohl auch Cayla. Vielleicht war sie einfach zu unbedarft oder sie war schlichtweg unwissend, vielleicht auch nur in einer gewissen Art und Weise ignorant. Was auch der Grund war, sie störte sich wenig an dem Mann, dessen Haar grau, fast schon weiss war. Im Gegenteil. Sie hatte eine Art Sympathie für ihn entwickelt, da er ihr seinen Mantel geliehen hatte, der sie eine ganze Nacht lang gewärmt hatte.
Nun war er wieder da. An diesem Abend betrat sie die Taverne, um ein wenig Essen oder auch ein paar Münzen einzufordern. Immerhin hatte sie für den Wirt, der eigentlich ein Wildhüter war, auf sein Gasthaus aufgepasst und das eine ganze Nacht lang. Der Lohn dafür fiel allerdings spärlich aus. Ein schrumpliger Apfel. Caylas Begeisterung hielt sich in Grenzen, aber abgelehnt hätte sie nicht, denn der Hunger nagte auch diesen Abend an ihr. Im Laufe des Abends füllte sich die Schänke wieder. Dieses Mal nicht nur mit hungrigen und durstigen Gästen, sondern auch mit unerwartetem Besuch. Es war wohl die Nichte des Wirts, Ria, die dort aufgetaucht war. Nach Diskussionen, ob dies der richtige Ort für ein junges Mädchen wäre, löste sich die Runde nach und nach auf, da es schon reichlich spät geworden war.
Zurückgeblieben waren der Kerl von der Nachtwache, Cayla, eine Reisende und Ria, die nachdem sie erst mit ihrem 'Onkel' nach oben gegangen, wieder zurückgekommen war. Allen dürstete es wohl nach einem Schlaftrunk, so dass die Idee geboren wurde, die Kuh im angrenzenden Stall, der ständig offen stand, zu melken. Gesagt, getan. Zum erstaunen des Weibervolkes legte Red, so hieß der Mann von der Nachtwache, Hand an und erleichterte die Kuh um vier Becher Milch. Die reisende Lady und Ria hatten sich bereits wieder in den Gastraum verzogen, als Red Cayla ihren Becher reichte, aus dem sie sogleich einen Schluck nahm. Er trat dicht vor sie und dann passierte, was sie sich wohl nicht mal in ihren wildesten Träumen ausgemalt hätte. Red beugte sich Cayla, deren Oberlippe ein Milchbart zierte, entgegen und legte seine Lippen auf die ihren. Erst erstarrte sie, dann schloss sie einen Moment lang die Augen und gab sich dem Kuss hin. Sie blieb wie gebannt stehen, als er sich von ihr abwandte und sich ins Stroh zurückzog, wo er scheinbar übernachten wollte. Seine Begründung für den Kuss war der Milchbart gewesen, jedenfalls sagte er sowas in der Art. Aber das hatte Cayla, noch immer in diesem Augenblick gefangen, wohl nicht wirklich wahrgenommen.
Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, wandte sie sich der Frau und dem Mädchen zu, mit denen sie noch kurz sprach. Währenddessen grübelte sie, wo sie schlafen sollte, denn den Stall, indem nun die Nachtwache lag, hatte sie die Nächte davor für sich beansprucht. Die Antwort auf ihre Frage nach dem Schlafplatz, auch wenn sie die nie laut gestellt hatte, kam brummend aus dem Raum nebenan. Der Stall wäre groß genug, sagte Red und legte sich hin. Ria und die Lady zogen sich ebenfalls zurück, so ging Cayla in den Stall. Hinter dem Strohhaufen, der zwischen ihr und Red lag, fand sie Platz. Die ganze Nacht brannte der Kuss auf ihren Lippen und ihre Gedanken kreisten darum, was der Ser, der Ria begleitet hatte, über die Männer der Nachtwache gesagt hatte. Für Cayla war es eine unruhige Nacht..