Das Thema ist eigentlich der Dauerbrenner schlechthin.
Was macht Sklaverei aus? Die Behandlung des Menschens als Ware, er gehört jemandem und kann verkauft werden, Freiheitsberaubung, dem Sklaven als solchen werden keinerlei Rechte oder gar Menschenrechte zugestanden sowie Ausbeutung der Arbeitskraft des Sklavens. Er kann folgenlos nach Belieben be/gestraft werden, und und und... das sind die Kernpunkte.
Ist das Gor? Ja. Das ist es. Sklaverei ist gang und gäbe.
Heißt das nun, dass ein Sklave zwangsläufig so behandelt wird? Nicht zwangszweise, es kommt auf die Situation drauf an, für viele sind sie Investitiongsgüter, die man sich lieber lange Zeit erhalten will.
Aber in den Punkten stehen sie in der Tat Tieren rechtlich gesehen näher als Menschen, wenn man das so nennen kann. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite der Medaille ist erst einmal diese: alle spielen das freiwillig, es ist keiner gezwungen, ausgerechnet das als Rolle zu spielen. Zudem kann man sich entwickeln.
Was aber auch stimmt, ist dass es durchaus eine gewisse Prozentzahl von, wenn man so sagen will, naturdevoten Mitmenschen gibt, die nur schwer nein sagen können, bei denen förmlich das Gefühl hat, sie knien neben ihrer Tastatur, wenn sie das auch in SL emoten. Diese Leute haben oft nicht gelernt, NEIN zu sagen und es gibt eine gewisse Klientel an Herrchen, die sich darauf spezialisiert hat, diese Leute einzusammeln und ordentlich zu melken, bis sie saftlos sind wie ein Apfel, der zwei Monate lang in der Sahara rumliegt.
Häufig sind die Leute, die Sklave spielen, auch solche, die eine gewisse devote Neigung und/oder Interesse haben, aber es sich nicht trauen, das real zu leben, womöglich auch keine realen Erfahrungen darin haben. Sei es, dass man Angst hat, den Ehepartner zu vergraulen oder aber man in einem Beruf ist, der mit Autorität verbunden ist (z.B. Lehrer, Richter, usw.), und dessen Autorität durch das Leben solcher Neigungen womöglich untergraben werden könnte. Wer es auf Dauer langweilig findet, der wird es auch auf Dauer nicht spielen. Und wie schon jemand schrieb: zur Not gibt es noch immer den Teleport. Pft, weg.
Andere machen es mehr aus romantischen Gründen - so ein halbnackter Avatar sieht doch ganz reizvoll aus, der findet sicher früher oder später einen Mann und dann hat er seinen Daseinszweck erfüllt. Auch das gibt es.
Gor hin oder her, eines darf man nicht vergessen: das Internet ist ein sehr gutes Sammelbecken für Randgruppen und Subkulturen aller Art. Gleichgesinnte Leute, für die man im RL kilometerweit fahren darf, um sie zu treffen, sammeln sich in SL ganz einfach auf diversen Sims. Das darf man auch nie vergessen.
Ich weiß nicht, was Norman ritt, seine Reihe zu schreiben. Er war damals eben jung, das Geld hat nicht geschadet, und er hat eine Schmuddelsexreihe geschrieben, die einen radikalen Gegenentwurf zur damaligen prüden Gesellschaft in den 1960er Jahren der USA darstellte. Als Inspiration nutzte er verschiedene, historische Kulturen der Erdgeschichte, vermengte das noch mit einem kleinen Schuss Sci-Fi und fertig war die Laube.
Da sich unsere Gesellschaft auch wieder mehr in Richtung Prüderie entwickelt, ist es nicht verwunderlich, das Gor für viele als Setting erstmal verlockend klingt.
In der modernen Welt muss man sich seine Stellung erarbeiten, ständig darum kämpfen und auf der Hut sein. In Gor wird man quasi reingeboren.
Die moderne Welt zur Zeit Normans war sexuell ausgesprochen prüde. Die USA sind es noch, dazu muss man sich nur mal "Nipplegate" anschauen. Auf Gor dagegen ist es was selbstverständliches, allgegenwärtiges, den guten Verhütungsmitteln und sexsüchtigen Kajirae sei es gedankt.
Die USA zur Zeit Normans waren die Zeit der Bürgerrechtsbewegung, auch der immer stärker werdenden Emanzipation der Frau. Auf Gor hat der Mann das Sagen, zack, aus, fertig, es ist eine feucht-warme Männerphantasie (wobei ironischerweise eine der ständig wiederholten Standardbeschwerden genau das Fehlen der echten Männer durch die Frauen darstellt).
In der modernen Welt lebt und arbeitet man für irgendwen/was, kennt den nächsten Nachbarn kaum, und die Regierung ist weit, weit weg. Oder anders gesagt: eine Gesellschaft von Egoisten, von total atomisierten Individuen, die kaum noch sozial eingestellt sind, wenn es hochkommt. Auf Gor gibt es Stadtstaaten/Städte, jeder kennt jeden, zur Not sorgt die Kaste für einen. Also man weiß, wofür/wen man arbeitet/kämpft und die soziale Komponente ist viel größer.
Auf der Erde gab und gibt es Rassenprobleme, Sprachbarrieren, Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, Religionsverfolgungen... all das gibt es ja angeblich auf Gor nicht.
Gor ist also eine viel einfachere Gesellschaftsordnung und eine ganz andere Form des Zusammenlebens als in einer demokratischen, multikulturellen Gesellschaft mit all ihren Herausforderungen, Problemen aber auch Chancen.
Das ist erst einmal das, was es für viele interessant macht, aber auch das, was es für viele auf Dauer langweilig macht. Denn früher oder später wird meistens nur noch irgendein Alltags-RP gespielt und/oder aber die Charaktere verflachen, während aber viele doch mit dem Ziel ins RP eintraten, endlich mal wieder Adrenalin und Gefahr zu spüren.
Tja, nur die Gefahr und das Adrenalin verfliegt nach einiger Zeit, wenn man merkt, es wird doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird, und das letzten Endes es nur einen gibt, der wirklich bestimmt, was geht und was nicht: der Spieler/in hinter der Tastatur.
Besonders interessant sind dabei auch immer diejenigen, die meinen, den Zeugen Jehovas gleich das einzig wahre Gor predigen zu können, indem sie irgendwelche Bücherstellen zitieren. Dabei übersehen sei gerne, dass die in einem Zeitraum von über 40 Jahren entstanden sind, es niemals als Vorlage für ein Rollenspiel oder gar einen Lebensstil gedacht war, und häufig vieles bestenfalls halb durchdacht ist und öfters sich die Reihe sogar selbst widerspricht. Es gibt ja nach wie vor nicht mal ein verbindliches Regelwerk.
Und es gibt auch vom Setting her wesentlich gehaltvollere Rollenspiele als dieses.
Zurück zum Ausgangspunkt: Sklaven sind auf Gor - man darf nicht vergessen, es ist eine Phantasiewelt - nicht anders zu betrachten als Tiere. Allerdings macht man mit ihnen Sachen, die mit Tieren nicht gehen, dafür hat man sie. So oder so aber, es sind Sklaven und es ist Sklaverei. Fertig, da gibt es auch nichts zu romantisieren.
OOC wird keiner gezwungen, es als Rolle zu spielen, wenn es ihm nicht passt, das ist die andere Seite der Medaille.
Allerdings schlägt, so oder so, unser eigenes humanistisch-abendländisches Wertefundament und damit unsere Ethik früher oder später doch durch. In den Büchern, so sagt man, steht sehr viel drin, wie die Sklaven wirklich teilweise hart rangenommen werden. Ich denke, wenn das mal auch nur zwei, drei Leute so strikt ein bis zwei Wochen nachspielen würden, würde es recht bald den ersten Sklavenaufstand geben.
Und ich denke, damit habe ich genug gesagt.