Die Behauptung, dass eine Generation nicht richtig schreiben kann ist falsch. Sie kann bestenfalls gemäss den im Moment geltenden Regeln nicht richtig schrieben.
Sicher lebt die Sprache, aber die Regeln der letzten Schlechtschreibreform machte hauptsächlich nicht die Übung bzw. der Sprachgebrauch aus, sondern eine Expertenkommission und teilweise gingen deren Neuregelungen gehörig an der Realität vorbei.
Das führte dazu, dass man im Laufe der Jahre seit der Einführung diese mehrmals verschlimmbessert hat, um die Konfusion komplett zu machen. Für mich ist die letzte Rechtschreibreform in Sachen Deutsch die Kardinalsünde der letzten Dekade überhaupt.
Und seien wir ehrlich, wenn es um Deutsch geht, müssen Eltern oft ihren Kindern helfen. Nun aber fühlten sich die Eltern selber in Sachen Deutsch als Alteisen, da ihre Kinder etwas total anderes beigebracht bekamen, als sie selber seinerzeit in der Schule. Ergo fühlten sich die Eltern oft hilflos, verwirrt und nur bedingt imstande zu helfen - also fielen sie häufig bei dieser Generation an Schülern als ausgleichendes Korrektiv aus. Eigentlich sollte die Reform ja die Sprache vereinheitlichen, sie führte aber zu einer wachsenden Unsicherheit im Sprachgebrauch und durch die vielen, vielen Übergangsregelungen in Bezug auf die alte Orthographie auch dazu, dass jeder auf einmal einfach so schrieb, wie er es für richtig hielt. Wie sollte das auch anders sein, wenn keiner mehr durchblickt, ist das nur die logische Folge.
Dazu kommt auch, dass an den Schulen in den Fächern neben Deutsch ebenfalls nicht mehr wirklich so viel Wert auf Rechtschreibung gelegt wird wie in früheren Jahren. Aber woher sollen die Schüler dann die Sprache noch können, wenn sie die Schule beendet haben, wenn selbst dort weniger Wert darauf gelegt wird als meinetwegen noch in den 80ern?
Natürlich beherrscht auch die jetzige Generation die Sprache, wenn sie will. Aber machen wir uns dennoch da bitte nichts vor: es hat genau deswegen ein gewisser Schlendrian Einzug gehalten, den man oft genug beobachten kann. Es spricht ja nichts dagegen, wenn man der Meinung ist, hier und da bei unwichtige Sachen laxer zu schreiben, wenn man es dann noch bei den wichtigen Tätigkeiten kann. Viele aber können das eben leider auch nicht mehr.
Viele Universitätsdozenten, die lange genug im Dienst sind, monieren heutzutage immer mehr und mehr die schlechten Kenntnisse ihrer neuen Studenten in Deutsch und auch Mathematik. Eine weitere Sache, die um sich greift, ist in dem Kontext das Google Copy&Paste-Syndrom. Auch damit fliegen viele Studenten erst einmal an der Universität gehörig auf die Schnauze. Ein anderer, typischer Fehler ist der Gebrauch von Wikipedia-Artikeln für wissenschaftliche Arbeiten.
Überhaupt ist das, was unser Bildungssystem heutzutage produziert, teilweise schon sehr fragwürdig. Da können Abiturienten, wenn sie fertig sind, zwar Funktionen wie im Schlaf rauf und runter differenzieren sowie integrieren, aber wenn es um den einfachen Dreisatz und Prozentrechnung geht, steht man vor dem Club der Ahnungslosen. Wissen? Fehlanzeige!
Andererseits ist eine These der Schulpädagogik, dass sich die Gesellschaft durch die Schule reproduziert. Aus der Warte gesehen verstärkt sie damit nur bereits vorhandene Tendenzen.
Sicher trifft das nur auf einen gewissen Teil zu, und es gibt auch genügend andere Gründe, aber es ist ein gesellschaftlicher Trend, der nicht zu verachten ist.
Das Problem dabei ist aber, dass diese Leute nicht danach bewertet werden, wie man in Zukunft irgendwann richtig schreiben
könnte, sondern nach den
derzeitig geltenden Regeln. Machen wir uns da auch nichts vor, vor der letzten Reform war die vorletzte Reform im Jahre 1901 gewesen. Es ist also unwahrscheinlich, dass sich an den jetzigen Regeln grundlegend noch schnell etwas ändern wird.