Heimtein
Ein ausführliche Erklärung zum Thema Heimstein fand ich in einer Bibliothek in der Nähe von Tyros:
Heimstein
„Frage einen Goreaner niemals, was ein Heimstein bedeutet, denn er wird Deine Frage nicht verstehen. Sie wird ihn verwirren. Es ist der Heimstein.“ (Die Zauberer von GOR, S. 485-6)
Den Begriff Heimstein zu definieren ist eine schwierige, wenn nicht gar unmögliche Aufgabe. Es ist ein kulturelles Konzept, das Definitionen von Außenstehenden schwierig macht und innerhalb der eigenen Gesellschaft keine Definition braucht. „Aber ich denke oft, es ist ein Fehler, den Heimstein als eine Begrifflichkeit darzustellen.
Er ist kein Wort oder Satz. Er lässt sich nicht wirklich übersetzen. Er ist mehr, wie ein Baum oder die Welt. Er existiert, und das geht einfach weiter, überschreitet Bedeutungen. In diesem einfachen Sinne ist der Heimstein nur, und nicht weiter zu reduzieren, eben der Heimstein. Er ist zu wichtig, zu wertvoll, um eine Bedeutung zu brauchen. Und ohne etwas zu bedeuten, wird er, natürlich zum Bedeutendsten überhaupt.“ (Die Zauberer von GOR, S. 485)
Deshalb ist es fast ein Widerspruch, hier eine Definition zu versuchen, da sie für Nicht-Goreaner unvorstellbar sein könnte. Dennoch will ich versuchen, einige Erklärungen zur Grundlage des Heimsteins zu geben, auch wenn diese im Hinblick auf das Gesamtkonzept unzureichend bleiben werden.
Goreaner betrachten ihre Städte fast wie lebendige Wesen. Sie sehen ihre Stadt als Einheit mit einer Geschichte, Tradition, Erbe, Bräuchen, Riten, Charakter und Hoffnungen. „Aus“ einer Stadt zu sein, vermittelt ein Gefühl von Unsterblichkeit, auch wenn Goreaner wissen, dass selbst eine Stadt zerstört werden kann. Diese Liebe zu ihrer Stadt wird dem Heimstein zu Teil, der in vieler Hinsicht die wahre Seele einer Stadt ist.
Der Heimstein ist ein wichtiges Symbol von Souveränität und Territorium. Selbst der Ausdruck „Gor“ bedeutet Heimstein in allen Sprachen des Planeten Gor. Es sollte erwähnt werden, dass der Ausdruck „Home Stone“ in allen Originalromanen groß und auseinander geschrieben wird.
Städte sind von fundamentaler Bedeutung für Goreaner, von deutlich größerer Bedeutung, als der Durchschnitts-Erdenmensch seiner Stadt oder seinem Land beimisst. „Für einen Goreaner ist eine Stadt, obwohl er selten über diese Dinge spricht, mehr als Ziegel und Marmor, Zylinder und Brücken. Es ist nicht nur ein Ort, ein geografischer Punkt, an dem Menschen sich entschlossen, ihre Bauwerke zu errichten, eine Ansammlung von Strukturen, wo er möglichst angenehm sein tägliches Leben führen kann.“ (Der Geächtete von GOR, S. 22)
Eine Stadt wird fast als lebendiges Wesen gesehen, mit einer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein sehr komplexes Wesen, mit vielen unterschiedlichen Schichten. „Für ihn ist eine Stadt fast etwas Lebendiges, oder sogar noch mehr als etwas Lebendiges. Sie ist ein Wesen mit einer Geschichte, Steine und Flüsse haben eine solche Geschichte nicht, ein Wesen mit Tradition, einem Erbe, Bräuchen, Ritualen, Charakter, Plänen, Hoffnungen. Wenn ein Goreaner zum Beispiel sagt, er ist ‚von’ Ar, oder Ko-ro-ba, vermittelt er sehr viel mehr, als nur die Information über seinen Wohnort.“ (Der Geächtete von GOR, S. 22)
Städte verursachen große Loyalität und Stolz bei ihrer Bürgerschaft. Da viele Goreaner fast nie reisen, ist ihre Stadt fast der einzige Ort, den sie wirklich kennen. Deshalb ist die Stadt das Zentrum ihres Lebens, der Fokus ihrer Existenz. Und auch deshalb arbeiten die Bürger hart, um ihre Stadt zu verteidigen und gedeihen zu lassen.
Ein Heimstein ist ein echter Stein und kann verschiedene Formen, Größen und Farben besitzen und aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Es gibt keine Vorschriften dafür und ein Heimstein kann auch ein ganz einfacher Felsbrocken sein. Ein Heimstein kann auch ein kompliziert geschnittener Stein sein, wertvoll, während andere nur einen einfachen Buchstaben tragen, meist den Anfangsbuchstaben der Stadt.
Einige große Städte haben kleine Steine, obwohl diese Steine sehr alt sind. Aus Tradition wird der Heimstein von Ar, angeblich mehr als zehntausend Jahre alt, als ältester Heimstein von Gor anerkannt. Andere Städte haben erst kürzlich einen Heimstein erhalten.
Port Kar zum Beispiel, erhielt seinen Heimstein 10120 C.A., während der Ereignisse von Die Piratenstadt von GOR.
Ein Stein wurde von der Strasse aufgehoben und Tarl Cabot gegeben, der die Initialen der Stadt hineinätzte. Dann präsentierte er ihn den Bürgern von
Port Kar, die ihn als ihren Heimstein akzeptierten. So einfach kann der Erwerb eines Heimsteins sein. Im Grund braucht man zur Schaffung eines Heimsteins nur eine Gruppe von Menschen, die sich entschließt, einen zu besitzen.
Als Tarl Cabot den Bürgern von
Port Kar einen Heimstein anbot, veränderte er diese, vereinigte sie im Angesicht eines grimmigen Feindes, der die Stadt erobern wollte. Er mag wie ein einfacher Felsbrocken aussehen, aber er ist ein sehr mächtiges Symbol.
Die Geschichte der Bedeutung des Heimsteins erstreckt sich über tausende von Jahren in die Vergangenheit. Der tatsächliche Ursprung ist unbekannt, aber es gibt einige Theorien über die Entstehung. Man sagt, dass vor langer Zeit die Bauern runde Hütten hatten, die um einen flachen Stein gebaut waren. In diesen Stein wurden die Familienzeichen geschnitten und er wurde schließlich „Heimstein“ genannt.
Dadurch wurde jeder Bauer in seiner eigenen Hütte zum Herrscher. „Ein Palast ohne Heimstein ist eine Hütte, eine Hütte mit einem Heimstein ist ein Palast.“ (In Sklavenketten auf GOR, S. 142)
Mit der Zeit, während sich Gemeinden entwickelten und ausdehnten, weitete sich der Gebrauch des Heimsteins aus, um erst Dörfer, dann Städte und Stadtstaaten zu vereinen. In einem Dorf findet sich der zentrale Heimstein meist im Bereich des Marktes. In einer Stadt wird der Heimstein meist im Dachgeschoss des höchsten Turmes, oft des Zentralzylinders, frei ausgestellt, allerdings gut bewacht.
Es gibt auch mehrere Legenden über den Ursprung des Heimsteins.
Eine der am meisten verbreiteten dieser Geschichten handelt von den Taten des Hesius, dem legendären ersten Mann von Gor.
„In einer beliebten Darstellung geht es um einen antiken Helden, Hesius, der schwere Arbeiten für die Priesterkönige verrichtete und dem eine Belohnung, wertvoller als Gold und Silber versprochen wurde. Er erhielt allerdings nur einen flachen Felsbrocken, mit einem einzigen, eingeritzten Buchstaben darauf, dem Anfangsbuchstaben seines Geburtsdorfes.
Er sprach die Priesterkönige auf ihren Geiz an, und auf das, was er für einen Vertrauensbruch hielt. Ihm wurde jedoch gesagt, dass das was er bekommen habe, tatsächlich viel wertvoller als Gold und Silber sei und dass es sich um einen Heimstein handele. Er kehrte in sein Geburtsdorf zurück, das von Krieg und Streit zerrüttet war. Dort erzählte er die Geschichte und legte den Stein auf den Marktplatz.
*Wenn die Priesterkönige sagen, er sei wertvoller als Gold und Silber,* sagte ein weiser Mann, *muss es wahr sein.*
*Ja,* sagten die Leute. *Wessen Heimstein ist es?* fragte das Volk, *Deiner oder unserer?*
*Unserer,* antwortete Hesius.
Die Waffen wurden niedergelegt und Frieden wurde ausgerufen.
Der Name des Dorfes war ‚Ar’.“ (Die Tänzerin von GOR, S. 302)
Wenn ein Mann seinen Heimstein auf ein Stück Land legt, beansprucht er durch Gesetz dieses Land für sich. „Der Heimstein sagt, dieser Platz gehört mir, ist mein Zu Hause.“ (Die Zauberer von GOR, S. 485) Der Heimstein ist untrennbar mit einem bestimmten Territorium verbunden, klein, wie eine winzige Hütte oder so groß wie eine riesige Stadt. Dennoch übersteigt seine Bedeutung dieses Territorium. Denn ein Heimstein kann bewegt werden, auch wenn das selten geschieht. Es passiert am Häufigsten, wenn das vom Heimstein geschützte Gebiet ernsthaft bedroht wird. Anstatt die Eroberung des Heimsteins und seinen Verlust als Beute zu erlauben, kann der Heimstein in ein sicheres Versteck gebracht werden. Deshalb wird, wenn eine Stadt angegriffen, erobert und zerstört wird, ihre letzte Totenglocke noch nicht geläutet, so lange der Heimstein überlebt. Als Ko-ro-ba zum Beispiel, durch ein Edikt der Priesterkönige vollständig zerstört wurde, rettete Matthew Cabot den Heimstein und erhielt so die Stadt am Leben. Obwohl ihre Einwohner über ganz Gor zerstreut wurden und auf dem Gebiet der Stadt kein einziges Gebäude mehr stand, sicherte das Überleben des Heimsteins, dass die Stadt noch immer lebte. Ko-ro-ba wurde später um ihren Heimstein am alten Platz wieder errichtet.
Es gibt eine Hierarchie der Heimsteine, da eine Person an verschiedene Heimsteine gebunden sein kann. So kann ein Mann zum Beispiel einen Heimstein in seinem Haushalt haben, während er in einem Dorf lebt, das auch einen eigenen Heimstein besitzt. Das gemeinsame Band des Heimsteins verbindet Menschen und unterstützt und beschützt alle, die einen Heimstein teilen. Selbst erbitterte Feinde werden sich helfen, um einen gemeinsamen Heimstein zu verteidigen. „Das Teilen des Heimsteins ist in einer goreanischen Stadt keine Kleinigkeit.“ (In Sklavenketten auf GOR, S. 394) Einige Goreaner wünschen sich einen einzigen, übergeordneten Heimstein für ganz Gor, aber ein solcher Traum wird, betrachtet man die entschlossene Unabhängigkeit der Goreaner, wohl kaum Realität werden. Dennoch glauben einige Menschen, dass die Priesterkönige einen solchen Heimstein besitzen und dass dieser die Quelle ihrer großen Macht ist.
Der Heimstein steht im Mittelpunkt zahlreicher Rituale der Städte, wie das Fest der Pflanzung von Sa-Tarna. Jede Stadt pflegt eine Einbürgerungszeremonie, in der Menschen, die ihre Volljährigkeit erreicht haben, einen Treueid auf ihre Stadt schwören, während sie den Heimstein küssen oder berühren. Man kann nicht Bürger einer Stadt sein, ohne auf ihren Heimstein zu schwören und man kann nicht an den Heimstein von zwei verschiedenen Städten gebunden sein. Man kann seine Loyalität nicht spalten. Man kann seinem Heimstein abschwören und Bürger einer anderen Stadt werden, aber das geschieht selten. Die Loyalität zum Heimstein ist bei den meisten Menschen sehr tief eingeprägt und deshalb ist diese Idee fast unvorstellbar.
Das Stehlen eines Heimsteins ist ein furchtbares Verbrechen und wird mit den schwersten Foltern und dem Tod bestraft. Allerdings bedeutet es auch den größten Ruhm, den Heimstein einer anderen Stadt zu stehlen. In GOR – Die Gegenerde stahl Tarl Cabot den Heimstein des mächtigen Ar. Dies brachte ihm Ruhm in den Augen vieler, obwohl die Stadt Ar ihm einen furchtbaren Tod wünschte. Selbst als Tarl und Marlenus fast Freunde wurden, konnte ihm Marlenus das vorausgegangene Verbrechen des Diebstahls des Heimsteins nicht verzeihen. Als Ubar könnte er das niemals zulassen. Der Diebstahl des Heimsteins ist vernichtend für eine Stadt, fast als hätte man ihr die Seele entrissen. Er bedeutet meist den Tod der Stadt, zumindest aber einen furchtbaren Niedergang.
Aber das Stehlen eines Heimsteins ist keine leichte Aufgabe, da er große Kraftreserven in denjenigen mobilisiert, die ihn verehren. „Man verstellt niemandem leichtfertig den Weg, der seinen Heimstein trägt.“ (Die Nomaden von GOR, S. 1) Selbst ein ausgebildeter Krieger wäre sehr vorsichtig den niedrigsten Kasten gegenüber, wenn diese ihren Heimstein transportieren. Die Loyalität und der Stolz, die durch den Heimstein initiiert werden, scheinen Quellen verborgener Kraft freizusetzen. Wenn der Heimstein direkt bedroht wird, kann ein Goreaner viele Hindernisse überwinden, um dessen Sicherheit zu gewährleisten. „…, denn im Einflussbereich ihres Heimsteins kämpfen Männer mit dem Mut, der Wildheit und dem Einfallsreichtum des Berg-Larls.“ (Der Geächtete von GOR, S. 29)
Ein Heimstein vereint die Menschen einer Stadt. Er ist wichtiger als die Einflüsse der Kasten oder jede andere Art von Zugehörigkeit. Er führt zu intensiver Loyalität, groß genug, dass die meisten sterben würden, um ihn zu verteidigen. Man sagt: „Es gibt wirklich ein Sprichwort auf Gor, ein Sprichwort, dessen Ursprünge in der Vergangenheit dieses seltsamen Planeten verloren gingen, dass jemand, der von Heimsteinen spricht, aufstehen sollte, denn es geht um Dinge der Ehre, und die Ehre wird selbst schon in den barbarischen Kodizes von Gor respektiert.“ (GOR - Die Gegenerde, S. 27)
Manchmal wird das sehr extrem ausgelegt, und ein Mann kann getötet werden, wenn er sich nicht aus Respekt erhebt, während er von seinem Heimstein spricht. Es gibt kein vergleichbares Symbol auf der Erde, das eine vergleichbare Funktion hat, wie der Heimstein. Der Patriotismus einer Fahne gegenüber bleibt blass im Vergleich zur Verehrung des Heimsteins. Goreaner blicken verächtlich auf Erdenmenschen hinab, weil diese keinen Heimstein haben. Sie glauben auch, durch das Fehlen eines Heimsteins gibt es kein legales Hindernis, Erdenmenschen zu versklaven.
„Aber ich sollte nicht versuchen, von Heimsteinen zu reden. Wenn Du einen Heimstein besitzt, brauche ich nichts zu sagen. Wenn Du keinen Heimstein besitzt, wie könntest Du verstehen, was ich zu sagen versuche?“ (Kampfsklave auf GOR, S. 145)